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LK 1,26-38
und das Lied: "Macht hoch die Tür, die Tor macht weit..." GL 107
Neubeginn im Namen Jesu
Haben Sie schon einmal das Gefühl von Enge verspürt, dass ihnen alles und jedes zu eng ist, dass sie Türen und Fenster geöffnet haben, Kleidungsstücke aufgemacht haben um Luft und Raum zu gewinnen? Diese Erfahrung lässt sich gut auf andere Lebensbereiche übertragen. Wird es in Beziehungen zu eng, kommt der Drang nach Weite, wird es politisch eng suchen Menschen nach Rettern. Auswege aus Begrenztheit und Unterdrückung haben Menschen schon immer gesucht und immer wieder auch gefunden.
So hat Israel Gott als seinen Befreier erkannt aus Versklavung und Knechtschaft, als Beschützer gegen alle Feinde. Deshalb wollte David dem Retter und Befreier seines Volkes einen Tempel bauen.
Als das Volk Israel unter der römischen Besatzung litt, kam die große Sehnsucht nach einem Retter, der das Volk aus seiner Versklavung befreien sollte. Sie erwarteten einen Messias.
Zur Zeit des 30 jährigen Krieges hatte das Volk genug von Not und Elend und sehnte sich nach Frieden und einem Leben in barocker Fülle.
Auch die Menschen in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts sehnten sich nach Ganzheit, nach einem neuen Lebensgefühl, nach jemandem der Not und Ungerechtigkeit beseitigen sollte.
Auch in meiner kleinen Lebenswelt gibt es immer wieder Situationen und Begegnungen, wo ich jemanden brauche, an den ich mich halten kann.
Das Bedürfnis von Einzelnen wie von Volksgruppen und ganzen Völkern nach einer Leitfigur ist da seit es Menschen gibt. Sozusagen ein Urbedürfnis.
Die Frage für mich, für Gruppen von Menschen, für ganze Völker ist: an wen halten wir uns? Von wem erwarte ich mir gelingende Gegenwart und Zukunft? In unserem heutigen Lied „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ kommt ein protestantischer Pfarrer und Musiker zu Wort. Georg Weißel schrieb dieses Lied um 1623, im 5. Jahr des dreißigjährigen Krieges. Es schrieb dieses Lied in eine zerrissene Welt hinein, in ein orientierungsloses Durcheinander in eine Welt der Enge. Er plädierte für Weite und Toleranz. Er erhoffte sich mit einem König aller Königreich einen neuen politischen Führungsstil, einen der Leben mit sich bringt, einen der Freude mit sich bringt! In der 2. Strophe drückt er aus welche Leitfigur er sich wünscht: Einen sanftmütigen, einen barmherzigen, einen heilenden, einen helfenden König und hofft in der 3. Strophe, dass dieser König ankommt beim Volk in Stadt und Land, dass die Menschen sich für diesen himmlischen König öffnen. Georg Weißel war klug genug zu wissen, dass eine neue Führung allein keinen Krieg zu beenden vermag. Es bedarf der Einsicht ganzer Völker und der Besinnung jeder und jedes Einzelnen. In der 5. Strophe geht es um das zu-uns-kommen Gottes in unsere Herzen, geht es um die Ausrichtung auf den Heiligen Geist als Leitkraft für alle in den einzelnen Menschen. Das Lied ist entsprechend der Zeit in der barocken Sprache geschrieben und benützt Figuren und Attribute, die uns wenig geläufig sind. Es bringt die Not seiner Zeit mit biblischen Texten zusammen etwa im Bild vom einziehenden König.
Von wem erwarten wir uns heute Hilfe in einer Welt der nervösen Märkte und der rein auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Weltordnung? Geht es uns nicht genauso wie den Menschen zur Zeit von Christi Geburt? Wer wird da erwartet? Wer wird Maria verkündet? Im heutigen Evangelium haben wir gehört: Er wird Sohn des Höchsten genannt werden und er wird ihm den Thron seines Vaters David geben und seine Herrschaft wird kein Ende haben. Damit ist die Hoffnung des Volkes ausgedrückt, dass das Volk Bestand haben wird.
Jesus ist gekommen und hat versucht klar zu machen, dass es der Umkehr im Innersten bedarf, damit ein neuer Himmel und eine neue Erde entstehen kann, wo wir in Frieden miteinander leben können. Immer wieder begehen wir Menschen den Fehler sich alles von den herrschenden Menschen und Systemen zu erwarten. Wir sind immer wieder enttäuscht worden, immer wieder auf die Nase gefallen die ganze Menschheitsgeschichte hindurch wie es uns die vielen Kriege hinlänglich beweisen.
Sind wir heute bereit uns auf die Schwachheit zu verlassen, auf Gott als Retter zu vertrauen? Mit Gott haben wir nichts in der Hand außer den Glauben, das die Liebe zueinander stärker ist als der Tod. Werden wir bereit sein uns auf die Kraft eines Kindes zu verlassen, auf Sanftmut und Gewaltfreiheit? Werden wir fähig sein angesichts kollabierender Wirtschafts- und Finanzsysteme kühlen Kopf zu bewahren? Beten wir mit dem Lied: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ darum, dass unsere Herzen offen bleiben für den Einzug Gottes bei uns, dass wir trotz beängstigender Zukunftsprognosen Menschen bleiben mit einem liebenden Herzen und uns die Fähigkeit bewahren immer wieder aufeinander zuzugehen mit offenen und vergebenden Händen, die einen Neubeginn schenken im Namen Jesu Christi. Amen.